Hildegard von Bingen(* 1098; † 17. September 1179 im Kloster Rupertsberg bei Bingen) war  Äbtissin und vor allem eine Mystikerin. Sie beschäftigte sich mit so unterschiedlichen Disziplinen wie Religion, Medizin, Biologie und Musik. Sie gilt als Volksheilige, das heißt sie wurde/wird vom Volk als Heilige verehrt. Jedoch fand trotz viermaliger Prüfung keine formelle Heiligsprechung statt.

hildegard4Hildegard von Bingen  

Die Kirche mag Hildegard bis heute nicht wirklich. Sie war schon zu Lebzeiten eine Querulantin und hat den Bischöfen und dem Papst des öfteren die Hölle heiß gemacht. Außerdem predigte sie den „kosmischen Menschen“, also den Menschen als Mittelpunkt des Weltalls, was selbst heute nur von wenigen Menschen erkannt wird und der katholischen Kirche immer noch nicht gefällt, weil sie das „Staubkornmodell“ bevorzugt.

Sie gründete 2 Klöster, eines für adlige Frauen und eines für das Volk, denn bei aller Liebe zum kosmischen Menschen hielt sie an den Standesunterschieden fest. Sie erreichte, dass ihr erstes Kloster selbständig wurde, d.h., sich von einem Mönchskloster emanzipierte, denn üblicherweise waren die Frauenklöster einem Mönchskloster untergeordnet. Sie hinterließ ein riesiges Werk mit Büchern über Spiritualität, Heilkunde und ErnährungEdelsteine und komponierte einfache, klare Musik, sozusagen Engelstöne.

Ihre Heilkunde ist dem indischen Ayurveda sehr ähnlich. Fast könnte man es als die europäische Variante davon bezeichnen. Hildegard beschreibt in ihrem Buch Causae et Curae sehr genau, welche Lebensmittel für den Menschen besonders förderlich sind – Dinkel, Bohnenkerne, Kichererbsen, Maronen, etc. – und welche Lebensmittel Küchengifte sind – Aal, Erdbeeren, Gurke, etc.  Ich empfehle, ihr Buch Causae et Curae direkt zu lesen, denn es ist sehr schön geschrieben, aber man kann auch die zusammengefasste Sekundärliteratur lesen, welche sich vor allem auf die Ernährungs -und Heilkunde bezieht.

hildegard3Bemerkenswert ist, wie Hildegard ihre Werke tat. Alle ihre Bücher wurden ihr, laut eigener Aussage von einem „Engel des Herrn“ diktiert und zwar auf lateinisch, der als gleißendes Licht erschien und sie „mit donnernder Stimme“ aufforderte, „sich niederzusetzen und zu schreiben“.  Es waren quasi Auditionen, denn sie sah zu Beginn der Sitzungen nur das helle Licht und hörte vor allem die Stimme, welche sie als die Stimme eines Engels interpretierte. Hildegard war also zutiefst inspiriert und verbunden mit dem Selbst. Die Art, wie sie ihr Wissen freisetzte kann mit dem verglichen werden, was heute Channeling heisst.  Diese Art von Geschehnissen ist der Kiche sehr unangenehm und sie wollte es verdrängen. Dass sie nicht bestraft wurde oder gar der beginnenden Inquisition zum Opfer fiel, verdankte Hildegard auch ihrem großen Fürsprecher, Bernard von Clairvaux.

Als sie starb, wurde sie jedenfalls nicht in der Klosterkirche beigesetzt, wie das für Äbtissen üblich war, sondern nur auf dem Friedhof. Als ihr Grab sehr schnell zu einer Pilgerstätte wurde, wurde Hildegard exhumiert und an einem unbekannten Ort begraben. So wenig mochte und mag die Kirche eine ihrer bemerkenswertesten Frauen.

Einige Werke

SCIVIAS“ Wisse die Wege (entstanden 1141 bis 1151) ist eine Glaubenskunde. Es ist eine dreiteilige Schrift mit 26 Visionen. Der erste Teil handelt von der Schöpfung, dem Fall der Schöpfung durch die Sünde des ersten Menschenpaares, sowie den Folgen des Sündenfalls. Der zweite Teil handelt von der Erlösung durch Christus und die Fortsetzung des Erlösungswerkes durch die Kirche. Im dritten Teil wird das gesamte Heilsgeschehen als Gebäude dargestellt, an dem bis zum Tag der Vollendung gebaut wird.

„LIBER VITAE MERITORUM“ – das Buch der Lebensvergeltung (entstanden 1158 bis 1161) ist eine Lebenskunde. Gott – Kosmos – Mensch sind die Seinsebenen, auf denen ein Wechselgespräch zwischen den Gotteskräften (Virtutes) und den Lastern (Vitia) in 35 Gegensatzpaaren geführt wird.

,,LIBER DIVINORUM OPERUM“ – das Buch der Gotteswerke (entstanden 1163 bis 1174)
ist eine Kosmologie. Der Makrokosmos und Mikrokosmos werden in ihrer Beziehung zueinander sind zum trinitarischen Gott gesehen. Er ist der absolute Herr der Schöpfung; Weltall und Mensch werden von seiner Liebe, der Caritas getragen. (Weltentstehung und -erhaltung)

 

Heilkunde

LIBER SUBTILITATUM DIVERSARUM NATURARUM CREATURARUM
Teil I „PHYSICA“ Naturkunde
,,PHYSICA“ ist in 9 Bücher gegliedert. Sie handeln in 513 Kapiteln über Pflanzen, Elemente, Bäume, Steine, Fische, Vögel, Säugetiere, Reptilien und über den Ursprung der Metalle.

CAUSAE ET CURAE Heilkunde
„CAUSAE ET CURAE“ befaßt sie sich mit den Krankheiten des Menschen von Kopf bis Fuß, mit der Ernährung und Verdauung, mit den Gemütsbewegungen, mit Wachen und Schlafen, Gehen, Stehen, Reiten. Sie gibt Anweisungen über die gesunde Lebensführung.

Musik

Singspiel ORDO VIRTUTUM (entstanden vermutlich zur Einweihung der Kirche im Kloster Rupertsberg)
Hildegard besaß eine schöpferische Fähigkeit für Wort, Ton und Klang ,,Er aber, der ohne Minderung groß ist, hat jetzt ein kleines Zelt berührt (Hildegard), damit es Wunderbares schaue und es in vielfältiger und dennoch harmonischer Melodie besinge.“

Das Mysterienspiel ,,ORDO VIRTUTUM“ ist eines der außergewöhnlichsten Werke ihrer Zeit. Nicht nur, daß es von einer Frau komponiert wurde, Hildegard leitete auch selber die Aufführung in ihrem Kloser auf dem Rupertsberg. Für das 12. Jahrhundert kennen wir keinen vergleichbaren Fall. Das musikalische Spiel bringt die allegorischen Figuren ihres Werkes ,,SCIVIAS“ zum Leben.

77 Lieder
Ihre Lieder wurden häufig beim liturgischen Gotteslob gesungen, dienten aber auch privater Erbauung.

Beispiel aus Causae et Curae

der Mensch im Zentrum des KosmosVom Wasser … Sumpfwasser, wo auch immer auf der Erde es sei, ist ganz wie Gift; denn es hat in sich die werthlosen und schädlichen Feuchtigkeiten der Erde und den giftigen Geifer der Würmer. Dies ist ganz schlecht zum Trunk und überhaupt zum Gebrauch der Menschen und kann nur zum Waschen dienen, wenn man es hierzu nehmen muss. Wer es aber aus gänzlichem Mangel an anderm Wasser trinken will, muss es vorm Genuss erst kochen und dann abkühlen lassen; auch kann man Brot, Speise und Bier, das mit ihm gekocht wird, in Maassen nehmen, weil man es durchs Feuer reinigt … Aber das Wasser von Brunnen, die tiefer in die Erde gegraben sind, so dass es steht und nicht ausfliessen kann, ist besser und angenehmer zur Speise, zum Trunk und anderem Gebrauch, als fliessendes Quellwasser. Im Vergleich zu Quellwasser ist es wie milde Salbe, da es nicht fortwährend ausfliesst und durch den milden Hauch der Luft erwärmt wird. Denn Quellwasser ist hart und widersteht daher den Speisen, so dass sie sich kaum erweichen und kochen lassen. Und da es ganz rein ist, hat es wenig Schaum und vermag darum die Speisen weniger so zu reinigen, wie anderes Wasser ……… Doch ist das Quellwasser leichter und reiner als Flusswasser, das durch Erde oder Sand oder Steine, über die es strömt, gereinigt wird. Zum Trunk taugt es, da es rein ist, und es ist auch hart und gesellt sich einigermaassen in seinen Eigenschaften dem Wein, doch ist es an Speisen für den Genuss schädlich und wegen seiner Härte auch beim Waschen den Augen. Aber das Wasser von Flüssen, die über die Erde fliessen, ist dick, weil es von der Sonne und der Luft getroffen wird, und ist voll Schaum und zum Trinken nicht gesund, da sich unterschiedliche Eigenschaften der Luft und der Elemente mit ihm mischen und es auch von dem Rauch und Nebel, der von gewissen ungesunden Bergen niedersteigt, inficirt wird … Wenn Menschen oder andere Geschöpfe das Wasser trinken, bringt es ihnen Tod oder macht die Glieder hervorstehen, weil es sie verbildet oder schwächt … Aber kleine und ganz klare Bäche, die von anderen Gewässern gleichsam wie Adern abfliessen, die sind vermöge ihres Ausflusses rein und recht nützlich zu jedem Gebrauch für Mensch und Vieh. Regenwasser aber ist hart und nimmt kranken Menschen Unrath, böse Säfte und Eiter, doch gesunden Menschen schadet es, weil es bei ihnen nichts zum Reinigen findet. Wenn es aber in Cisternen steht, wird es milder und ist für Gesunde und Kranke gut; doch is Quell- und Flusswasser viel besser u.s.w….

Eines meiner Lieblingsrezepte nach Hildegard von Bingen

Maronensuppe

Ca. 1 1/2 Liter guter Gemüsebrühe (ohne Lauch) erhitzen und dann ca. 300 bis 400 Gramm geschälte Maronen kleingeschnitten in die Brühe geben, dazu wenig Reis, um der Suppe mehr Konsistenz zu geben. Salz, Pfeffer und Kräuter nach Geschmack. Ich nehme sehr gern Salbei dazu. Das Ganze kochen, bis der Reis gar ist, also ca. 15 min. Am Ende noch einen guten Schuß Sahne kurz mitkochen. Die Suppe pürieren und mit Croutons aus weißem Dinkelbrot servieren. Wunderbar!

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