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Nimm du dein eigenes Leben in die Hand! Werde du dein eigener Herr!
Das ist der Grund, warum es in der Welt so chaotisch zugeht: Weil jeder am falschen Platz steht, niemand genau da ist, wo er sein sollte. Eine richtige Erziehung würde schnurstracks zu Medi?tation führen. Eine verkehrte Erziehung ist eine Sperre für Meditation, weil die verkehrte Erziehung dir Dinge beibringt, die nicht zu dir passen.
Frage an Osho: Führt Erziehung zur Meditation? Erkläre bitte den Unterschied zwischen Erziehung und Religion.
Gewöhnlich ist fast alles, was man so „Erziehung“ nennt, gegen Meditation gerichtet. Es sollte zwar nicht so sein, aber so ist es. Dem ursprünglichen Wortsinn nach steht „Erziehung“ nämlich nicht im Gegensatz zu „Meditation“. Ihr eigentlicher Sinn ist: „hervorholen, entfalten“. Erziehen heißt, etwas hervorholen; alles, was in jedem Einzelnen verborgen angelegt ist, soll aus ihm zum Vorschein kommen.
Der Einzelne soll aufblühen – das ist der eigentliche Wortsinn von „Erziehung“. Und genau dasselbe bedeutet auch „Meditation“: dass du in deinem eigenen Wesen aufblühen musst. Du weißt nicht, was du einmal sein wirst, du weißt nicht, was für Blüten sich an dir zeigen werden. Auch was ihre Farbe sein wird und was ihr Duft sein wird – das weißt du nicht. Du gehst ins Unbekannte hinein. Du vertraust einfach der Lebensenergie. Sie hat dich zur Welt gebracht, sie ist dein Mutterboden, sie ist dein Wesen. Du vertraust ihr. Du weißt, dass du ein Kind dieses Universums bist – und dass sich dieses Universum, da es dir schon das Leben geschenkt hat, auch deiner annehmen wird.
Indem du dir selbst vertraust, vertraust du auch dem ganzen Universum. Und dieses Universum ist schön. Sieh dich einfach nur um, wie viele Blüten in diesem Universum zur Welt kommen – wie könntest du ihm da misstrauen? Eine so überwältigende Schönheit überall – wie könntest du ihm misstrauen? Was für eine Großartigkeit, was für eine Anmut, vom kleinsten Staubkörnchen bis hinauf zu den Sternen, welch eine Symmetrie, welch eine Harmonie – wie könntest du ihm misstrauen?
Der japanische Dichter Basho sagt: „Wenn dieses Universum Blumen hervorbringt, dann vertraue ich ihm.“ Stimmt’s? Ist doch logisch genug, ein zwingender Beweis: „Wenn dieses Universum so viele schöne Blumen hervorbringen kann, wenn eine Rose möglich ist, dann vertraue ich ihm. Wenn ein Lotus möglich ist, vertraue ich ihm.“
Aber für die so genannte „Erziehung“, die sich überall auf der Welt abspielt, gilt das nicht. Statt dass etwas herausgeholt wird, wird da alles Mögliche hineingezwungen. Da werden einem nur Informationen eingetrichtert. Nicht einmal das Wort „Information“ trifft zu, man sollte es nicht benutzen … sondern „Aus-formation“. „Information“ bedeutet, dass „sich etwas in deinem Innern heranbildet“. Würde da etwas in dir heranwachsen – das wäre Information! Aber kein Mensch kümmert sich um dich. Die Gesellschaft kümmert sich nur um ihre eigenen Vorstellungen, Ideologien, Vorurteile, Techniken – und bläut dir das alles ein. Dein Kopf ist für sie nur ein leeres Zimmer, das sie mit Möbeln voll stellen müssen.
„Erziehung“ bzw. all das, was im Namen von Erziehung veranstaltet wird, ist nichts anderes, als dass euer Kopf mit Wissen voll gestopft wird – weil Wissen eine gewisse Nützlichkeit hat. Niemand kümmert sich um dich, niemand will wissen, was deine Bestimmung ist. Sie brauchen mehr Ärzte, sie brauchen mehr Ingenieure, sie brauchen mehr Generäle, sie brauchen mehr Techniker, mehr Klempner und Elektriker. Da die also gebraucht werden, zwingen sie dich ein Klempner zu werden oder zwingen sie dich ein Arzt zu werden oder zwingen sie dich ein Ingenieur zu werden.
Womit ich nicht etwa sage, dass es verkehrt wäre, ein Ingenieur oder Arzt zu sein. Aber es ist zweifellos daran etwas verkehrt, wenn es einem von außen aufgezwungen wird. Wenn jemand zu einem Arzt aufblüht, wird eine enorme Heilkraft von ihm ausgehen. Dann wird er ein geborener Heiler sein. Er wird tatsächlich ein Arzt sein – seine bloße Berührung wird Wunder wirken. Er wurde hierfür geboren.
Aber wenn es von außen aufgezwungen wurde und man es als seinen Job betrachtet, weil man ja schließlich leben und etwas lernen muss und seine Brötchen verdienen muss, dann bedrückt es einen. Dann ist man ein Krüppel und erstickt unter der Last. Man schleppt sich mit Müh und Not dahin, und irgendwann stirbt man dann. Keinen Augenblick lang hat so ein Leben vor Lebensfreude geglüht. Natürlich wird so jemand einen Batzen Geld hinterlassen – damit seine Kinder ebenfalls Ärzte werden und zur Universität gehen können, zur selben Universität, wo er zerstört wurde. Und seine Kinder werden ihren Kindern wieder dasselbe antun, und so vererbt sich das alles von einer Generation zur anderen. Nein, das nenne ich nicht „Erziehung“. Es ist ein Verbrechen.
Es ist wirklich ein Wunder, dass trotz dieser Erziehung ab und zu dennoch ein Buddha aufblüht auf der Welt. Es ist ein Wunder! Es ist einfach unglaublich, wie jemand es schafft, dem zu entrinnen – wo doch alles geradezu darauf abzielt, alles darauf angelegt ist, dich zu töten. Und schon von klein auf verheddern sich Kinder in diesem Netz, ohne zu ahnen, wohin die Reise geht, ohne zu ahnen, was da aus ihnen gemacht wird. Wenn es ihnen dann schließlich dämmert, sind sie völlig verdorben, kaputt.
Wenn sie endlich darüber nachdenken können, was sie mit ihrem Leben anfangen sollen, sind sie fast unfähig noch die Richtung zu ändern. Wenn du dann irgendwann fünfundzwanzig oder dreißig bist, ist dein halbes Leben vorbei. Jetzt noch einmal das Steuer herumzureißen erscheint zu riskant. Du bist nun Arzt geworden, deine Praxis läuft gut – und plötzlich geht dir eines Tages ein Licht auf, was deine eigentliche Bestimmung war: „Das hier ist nichts für dich – aber was tun jetzt?“ Also tust du weiterhin so, als wärest du Arzt. Und wenn der Arzt kein zufriedener Arzt ist, kann er auch keinem Patienten wirklich zum Segen gereichen.
Wenn ein Arzt wirklich ein Arzt ist, ein geborener Arzt … Und jeder ist zu irgendetwas geboren! Du magst es verfehlt haben, du magst es nicht einmal wissen. Der eine ist ein geborener Dichter – und man kann niemanden zu einem Dichter machen. Dichter sind keine Fließbandware. Der andere ist ein geborener Maler – Maler lassen sich nicht herstellen. Aber alles steht irgendwie Kopf: Der Maler arbeitet als Arzt, der Arzt arbeitet als Maler. Und da ist einer Politiker – vielleicht wäre er ein guter Klempner geworden, aber jetzt ist er Bundeskanzler oder Ministerpräsident. Und derjenige, der einen guten Ministerpräsidenten abgegeben hätte, ist Klempner.
Das ist der Grund, warum es in der Welt so chaotisch zugeht: Weil jeder am falschen Platz steht, niemand genau da ist, wo er sein sollte. Eine richtige Erziehung würde schnurstracks zu Meditation führen. Eine verkehrte Erziehung ist eine Sperre für Meditation, weil die verkehrte Erziehung dir Dinge beibringt, die nicht zu dir passen. Und solange etwas nicht zu dir passt und du nicht dazu passt, wirst du niemals heil und gesund sein. Du wirst leiden.
Daher muss in der Regel ein gebildeter Mensch, wenn er sich für Meditation zu interessieren beginnt, erst einmal alles verlernen, was er gelernt hat. Er muss in seine Kindheit zurückgehen und wieder dort anfangen, beim ABC und Einmaleins. Deshalb bestehe ich auf so vielen Meditationen, bei denen ihr wieder zum Kind werdet.
Wenn du tanzt, bist du mehr wie ein Kind als wie ein Erwachsener. Das ist der Grund, warum ihr keine Würdenträger seht, die hier zu mir und meinen Meditationen kommen. Der eine führt ein Finanzamt, treibt Steuern ein – er kann nicht herkommen, weil er nicht tanzen kann. Er ist Finanzbeamter oder Regierungsbeamter – wie kann er da mit gewöhnlichen Leuten tanzen?
Aber wenn du nicht tanzen kannst, dann magst du noch so sehr Gouverneur sein, aber du bist tot. Wenn du nicht singen kannst, fällst du der Erde zur Last. Dann begehst du besser Selbstmord. Zumindest machst du damit etwas Platz für einen anderen, der wachsen und aufblühen kann. Du wirst nicht aufblühen, so viel steht fest. Die etwas angesehenen Leute sind völlig festgefahren, weil sie nichts machen können – sie dürfen ihr Ansehen nicht aufs Spiel setzen. Sie haben Angst. Sie sind nicht glücklich, sie haben keine Ahnung, was Seligkeit heißt, sie wissen nicht so recht, was es heißt, lebendig zu sein – aber sie sind angesehen. Also klammern sie sich an ihre Angesehenheit und sterben dann. Sie leben nie; sondern sterben, bevor sie überhaupt zu leben begonnen haben. So gibt es viele, die sterben, bevor sie überhaupt zu leben begonnen haben.
Meine Meditationen sind dazu da, euch in eure Kindheit zurückzuversetzen – als ihr noch nicht angesehen wart, als ihr noch verrückte Sachen machen durftet, als ihr noch unschuldig und nicht durch die Gesellschaft verdorben wart, als ihr der Welt noch nicht auf die Schliche gekommen wart, als ihr noch jenseitig, unweltlich wart.
Ich möchte, dass ihr bis zu diesem Punkt zurückgeht und von da aus wieder anfangt. Und das ist dann euer eigenes Leben. Ansehen oder Geld sind Flittergold, sie sind kein echter Lohn. Lasst euch nicht täuschen. Ansehen könnt ihr nicht essen und Geld könnt ihr nicht essen und Prestige könnt ihr auch nicht essen. Das sind nichts als Spielchen – dumm und mittelmäßig dazu. Wenn ihr intelligent genug seid, werdet ihr begreifen, dass ihr euer eigenes Leben leben müsst und euch um nichts anderes zu kümmern braucht. Alle anderen Überlegungen sind nichtig: Dies ist dein Leben! Du musst es authentisch und liebevoll leben, mit großer Leidenschaft und mit großer Mitleidenschaft, mit all deiner Energie. Du musst zu einem Sturzbach der Seligkeit werden! Was immer dafür zu tun nötig ist, das tu. Du wirst nicht umhin kommen, zu verlernen. Verlernen heißt, dass du umkehrst aus diesen Sackgassen und aufhörst in diese falschen Richtungen zu laufen, die dir deine Gesellschaft aufgedrängt, aufgequatscht hat, die sie dich verführt hat einzuschlagen. Nimm du dein eigenes Leben in die Hand! Werde du dein eigener Herr!
Das ist die Bedeutung von Sannyas. Darum nenne ich Sannyasins „Swami“. Swami bedeutet: einer, der sich zum Herrn seines eigenen Lebens gemacht hat. Mit den orthodoxen hinduistischen „Swamis“hat das nichts zu tun; die sind keine Herren ihres eigenen Lebens. Die sitzen wieder im selben Zug, in derselben Gesellschaft und machen sich gemein mit derselben dummen Macht, mit Ansehen und Politik.
Ein echter Sannyasin ist einer, der sich nicht um die Meinungen anderer schert, der beschlossen hat, sein eigenes Leben so zu leben, wie er es für richtig hält. Ich will damit nicht sagen, dass du dann verantwortungslos werden sollst. Wenn du anfängst dein eigenes Leben verantwortlich zu leben, dann kümmerst du dich nicht nur allein um dich, sondern kümmerst dich auch um andere – nur auf eine vollkommen andere Art und Weise.
Dann wirst du vor allem darauf achten, dich nicht in das Leben eines anderen einzumischen – das nämlich heißt verantwortlich sein. Ich gestatte niemandem, sich in mein Leben einzumischen, und natürlich erwarte ich auch von dir, dass du dich nicht in das Leben anderer einmischst. Dann willst du nicht, dass irgendein anderer dein Leben leitet: Du brauchst keine Reiseleitung in deinem Leben. Eine geleitete Reise ist überhaupt keine Reise. Du willst alles selber erkunden. Du möchtest ohne Wanderkarte in den Wald gehen, damit du auch mal etwas entdecken kannst, damit auch du zum ersten Mal in unbekannte Gegenden vorstoßen kannst. Wenn du eine Wanderkarte dabei hast, kommst du immer nur an einen Ort, wo schon viele andere vor dir waren. Der ist nie neu, niemals ursprünglich, ist niemals jungfräulich, sondern bereits verdorben, korrumpiert: Viele haben ihn vor dir betreten – ja, es gibt sogar eine Wanderkarte!
Als ich noch Kind war, sah ich überrascht, dass es in dem Tempel, den meine Eltern immer aufsuchten, Landkarten gab, die Himmel und Hölle und Moksha darstellten. Eines Tages sagte ich zu meinem Vater: „Wenn es von Moksha Landkarten gibt, dann bin ich nicht daran interessiert.“
Er sagte: „Warum nicht?“ Ich sagte: „Wenn es Landkarten gibt, dann ist schon etwas faul dran. Viele waren schon da, sogar Landvermesser waren schon da, sie haben alles ausgemessen. Sie kennen jeden Fleck und haben ihm einen Namen und ein Etikett verpasst. Da scheint ja nur die gleiche, alte Welt weiterzugehen. Was soll denn daran neu sein? Ich möchte eine Welt finden, für die es noch keine Landkarte gibt. Ich möchte lieber Entdecker sein.“ Von diesem Tage an habe ich den Tempel nie wieder betreten.
Mein Vater fragte: „Warum kommst du plötzlich nicht mehr?“ Ich sagte: „Wirf erst diese Landkarten weg. Ich kann diese Landkarten dort nicht ertragen. Sie sind eine richtige Beleidigung. Ich bitte dich: Sogar Moksha haben sie vermessen?! Was soll denn dann noch unermesslich daran sein?“
Und alle Buddhas haben gesagt, dass die Wahrheit unermesslich ist; alle Buddhas haben gesagt, dass die Wahrheit nicht nur unbekannt, sondern nicht einmal erkennbar ist. Sie ist ein Meer, das noch nie befahren wurde: Du steigst in dein kleines Boot und stichst in eine nie befahrene See. Dich erwartet ein Abenteuer! Das ist riskant, das ist gefährlich. Aber nur in Risiken und Gefahren blüht die Seele auf, kristallisiert sie sich.
Für mich ist Erziehung erst dann stimmig, wenn sie einfach nur Bestandteil von Meditation ist; alles in ihr muss auf Meditation hinauslaufen. Wenn Erziehung stimmig ist, dann dürften die Universitäten nicht gegen das Universum sein, dürften sie nur Übungsplätze, Sprungbretter ins Universum sein. Wenn Erziehung stimmig ist, dann geht es ihr nicht um Geld und dann geht es ihr auch nicht um Macht und Prestige. Dann wird sie kein bisschen politisch sein. Wenn Erziehung stimmig ist, dann wird sie sich um deine Seligkeit, dein Glück kümmern – um Musik, Liebe, Dichtung, Tanz. Sie wird dich lehren dich zu entfalten. Sie wird dir nicht einfach nur den Kopf mit Informationen voll stopfen. Sie wird dir helfen, aus dir herauszukommen, aufzublühen, zu wachsen, dich auszudehnen und weiter zu werden. Dann hätten wir eine völlig andere Art von Erziehung!
Und natürlich wäre jede Erziehung, die sich nur der Meditation widmen würde, damit auch religiös. Ich nenne keine Erziehung religiös, wenn sie das Dogma des Christentums lehrt oder den Hinduismus lehrt. Das ist nicht religiös. Erziehung wird erst dadurch religiös, dass sie dir den nötigen Mut macht dich selbst zu akzeptieren und dein Leben zu leben und es zur Opfergabe für Gott zu machen – und zwar so, wie du es selber möchtest, auf deine eigene, unverwechselbare Art und Weise.
Aus: The Discipline of Transcendence Vol. 4, #6